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Vernissage Renate Ortner "Dazwischen"                                    Vernissage 20.09.2015 um 11:30 Uhr

Collagen, Fotografie, Objektkunst im Korbmacher-Museum Dalhausen

Einladung dazwischen.pdf
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„Dazwischen“

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie ganz herzlich zur Vernissage der Ausstellung „Dazwischen“ von Renate Ortner im Korbmacher-Museum in Dalhausen. Ich fühle mich sehr geehrte hier die Einführungsrede halten zu dürfen, denn ich muss Ihnen gestehen, dass ich eine Nicht-Künstlerin bin, in dem Sinne, dass ich mich für gewöhnlich selten mit Pinsel, Farbe, Schere oder Klebestift beschäftige und wenn ich sie dann doch zur Hand nehme, dann heißt das bei mir nicht Kunst, sondern renovieren und gewöhnlich hält niemand eine Eröffnungsrede, wenn ich damit fertig bin.

Aus diesem Grund versuche ich mich heute mit meinen Werkzeugen der Ausstellung zu nähern und meine Werkzeuge sind die Wörter. Zu Beginn der Beschäftigung mit einem Thema nehme ich immer gern den Duden zur Hand - die Älteren unter uns werden dieses Nachschlagewerk noch kennen –, die anderen suchen in wikipedia.

 

Zum heutigen Titel der Ausstellung „Dazwischen“ habe ich im Duden gefunden:

 

  • dazwischen hindụrchgehen
  • genau dazwischen sein
  • sich genau dazwịschen befịnden

 

Diese Aussagen bedürfen einer Interpretation:

Dazwischen hindurchgehen ist eine Form von Freiheit. Ich entscheide mich nicht für die Vorgaben rechts oder links, sondern gehe meinen Weg.

Genau dazwischen sein, ist eine Gemeinschaft. Ich befinde mich mitten zwischen den anderen und ihren Ideen, nicht am Rand. Das ist nicht unangenehm, vielleicht sogar angenehm und ich bin auch immer noch ich selbst, denn ich bin nicht in der Masse aufgegangen.

Sich genau dazwischen befinden, gibt mir das Gefühl von: zwischen den Stühlen sitzen, eingequetscht sein, nicht mehr frei sein. Odysseus lässt grüßen! (Charybdis und Skylla)

 

Aber wo ist Renate Ortner dazwischen? Nach unserem Gespräch, das wir in Vorbereitung auf die Ausstellung geführt haben, ist mir klar geworden: Sie ist absolut sie selbst. Sie hat ihren eigenen Weg gefunden, geht also dazwischen hindurch. Sie steht aber nicht alleine, sondern genau zwischen allen anderen, denn in ihren Werken ist alles enthalten, was alle anderen im Einzelnen machen, aber sie hat all das neu zusammengesetzt und ausgedrückt, ihm eine neue Identität gegeben. Und genau diese beiden Aussagen bestätigen, dass sie frei und nicht eingequetscht ist, dass folglich die letzte Aussage „sich genau dazwischen befinden“ in meiner Interpretation auf sie nicht zutrifft.

 

Mir drängt sich angesichts ihrer Arbeiten eine Metapher auf: So, wie das Wasser seinen Weg zwischen den Steinen hindurch findet, finden die Collagen von Renate Ortner ihren Weg zum Betrachter. Dabei berührt das Wasser die Steine, kann sie verschieben, verändern, einen Teil des Weges mitnehmen, aber es geht seinen eigenen Weg, ja, formt sogar neue Wege. Die Steine bleiben zurück. Bleiben verändert zurück. So, wie der Betrachter. Es mag sein, dass das Wasser auch ein wenig von der Seele der Steine mitnimmt. Also auch der Betrachter auf die Künstlerin wirken kann.

 

Mit Renate Ortner zu sprechen heißt, sich ihren Kunstwerken von Innen zu nähern. Es ist nicht mehr der Blick von Außen auf ein zu interpretierendes Werk, sondern das Empfinden von Innen zu einem Werk, das sich einem erschließen kann.

Immer wieder tauchen bei ihr sehr persönliche Momente in den Arbeiten auf. Dieses können Erinnerungen an eine verstorbene Freundin sein, wie es bei einigen ihrer Installationen der Fall ist. Es können kleine Geschenke der Freundschaft sein, wenn Peter Amici ihr den Rest einer ihm besonders lieben blauen Farbe oder ein misslungenes, bereits zerrissenes Bild, das er dann doch nicht wegwerfen konnte, zukommen lässt. Beides findet sich irgendwann in einer Collage wieder. Auch die Werke ihres verstorbenen Mannes greift sie auf und erarbeitet sie für sich neu. „Soetwas stützt mich, gibt mir Halt“, verrät sie mir.

Ihre Kunst ist die Intimität, das Persönliche, der direkte Dialog mit dem Betrachter. Das große Kunstgeschehen, bei dem es mehr um Kommerz, denn um Kunst geht, ist ihr suspekt. Da geht sie, mit einer entsprechenden abwehrenden Handbewegung, auf Abstand. Sie erklärt sich – fast entschuldigend -: Zu ihrer Zeit auf der Kunstakademie in Düsseldorf sei Josef Beuys der Star der Kunstszene gewesen. Er habe einen Lehrstuhl gehabt und es wurde ein ziemlicher Wirbel um seine Person veranstaltet. So mancher Student sonnte sich in seinem Glanz und schaute verächtlich auf die, die sich fern von diesem Trubel hielten und bewusst nicht bei Beuys studierten. „Für die waren wir underdogs. Sie schauten verächtlich auf uns herab. Wir zählten gar nicht.“ Und verärgert fügte sie hinzu: „…und Beuys ließ das zu! Daraufhin habe ich mich in meine kleine Studentenbude zurück gezogen, dort gearbeitet und die Ateliers gemieden.“ Dieser Hype um Beuys war bei Renate Ortner der Auslöser, ihr eigenes Ding zu entwickelt, sich zurückzuziehen vom kommerziellen Trubel und dabei doch Teil des künstlerischen Ganzen zu bleiben. Seit dieser Zeit also ist sie dazwischen. Ich empfehle Ihnen, sich einmal ihre Prüfungsarbeiten zeigen zu lassen. Sie werden staunen, wie aktuell diese sind! Hier zeigt sich auch schon das feine Gespür der Künstlerin für den besonderen, den etwas anderen Blick auf die Dinge, der entfernt schon die Collagen erkennen lässt. Ihre Entscheidung später dann, Collagen zu komponieren, ist ein ganz eigener Weg, denn Collagen und Komposition wurden an der Hochschule nicht gelehrt. Wieder war sie dazwischen.

Collagen verlangen ein ungemeines Fingerspitzengefühl für das Material als solches und den Umgang mit diesem.

Alles, aber auch alles kann Teil einer Collage werden: die Farbe des Freundes, die verschmorten Apothekergläser der Freundin, ein neues Foto und eine alte Tapete. Wir gewöhnlichen Menschen sehen diese Dinge noch nicht einmal, aber wir sind vorsichtig geworden und stellen die berühmte Frage: „Ist das Kunst oder kann das weg?“

 

Doch wenn Sie sich einmal von Renate Ortner zeigen lassen, aus welchen Teilen - und dieses Wort durchaus auch verstanden im Sinne von Bruchstücken, Reststücken, Abfall - sie eine Collage entwickelt, dann werden Sie die Welt anschließend auch mit ganz anderen Augen sehen. Renate Ortner sucht das Material nicht, es findet sie. Vielleicht, weil sie eine andere Wahrnehmung hat als wir und weil sie die immanente Bedeutung dieses Materials spürt. Bei ihrer Arbeit kommuniziert sie mit den Dingen und durch die Zusammenstellung der einzelnen Teile oder der punktuellen Bearbeitung eines Bildes, kommuniziert sie dann mit dem Betrachter. Sie fordert den Betrachter heraus, sich mit ihrer Zusammenstellung auseinander zu setzen, ohne, dass sie ihm ihre eigene Meinung aufoktroyiert. Manchmal gibt sie dem Werk einen Namen. Das kann ein Fingerzeig sein, wohin die Reise geht, aber das muss nicht so sein. Sie verlangt nicht, dass Sie sehen, was sie sieht. Es genügt, wenn Sie überhaupt etwas sehen. Oder vielleicht berührt es Sie und Sie empfinden etwas. Man muss nicht alles in Worte fassen können.

 

Mir ist inzwischen auch klar geworden, wie ich diese meist kleinen Collagen der Künstlerin bezeichnen soll. Ich vergleiche es mit meiner Arbeit: ich habe einerseits die epische Breite des Romans, in dem ich eine ganze Geschichte erzähle und wenig offen lasse und andererseits die haarscharfe Präzision einer Kurzgeschichte, die eine Augenblicksbetrachtung ist und die ganze Geschichte unerzählt lässt. Diese findet im Kopf des Lesers statt. So auch die Werke von Renate Ortner. Sie sind Kurzgeschichten und daher viel schwerer zu erarbeiten als ein Gemälde, weil sie nur wenige, aber präzise Zeichen setzen, um einen Spannungsbogen zu erzeugen und den Betrachter in Anspannung zu halten.

 

Nach meinem Besuch bei Renate Ortner war ich erfüllt von Bildern und Möglichkeiten, für die ich wieder Worte suchen musste und fand:

Synonyme zu dazwischen sind

 

 

Doch „Dazwischen“ kann auch im Sinne von „in der Zwischenzeit“ verstanden werden

Auch diese Wörter passen zu ihren Bildern und Installationen. Alles befindet sich im Fluss, in einem Zwischenstadion auf dem Weg zu einer weiteren Wandlung, einem neuen Ziel, das aber nicht das Ende sein muss. Die Möglichkeiten sind unübersehbar.

Sie müssten Ihren Schreibtisch mit den tausenden von Bildern, Fotos, Abrissen und Fetzen sehen, über den sie die Hände wie ein Wünschelrutengänger bewegt und ein bestimmtes Bild herauszieht und sofort erklärt, woher es kommt und eine Assoziation dazu hat. Das ist Magie! Lassen Sie sich also heute einfangen von dieser Magie eines Zwischenzustandes, eines Zwischengedankens, auf dem Weg zwischen A und B oder doch zwischen allem sich befindend. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen.

Vernissage der Ausstellung "Varus 2"                                                       des Detmolder Künstlers Rainer Nummer

in Dringenberg am Sonntag, 7. Juni 2015 11:30 Uhr

Sehr geehrte Damen und Herren, ich begrüße Sie heute recht herzlich zur Vernissage der Ausstellung „Varus II“ – des Detmolder Künstlers Rainer Nummer –  in der Burg Dringenberg

 

Ein Rundblick bestätigt mir meine Vermutung, dass sich die Besucher der heutigen Vernissage grob in zwei Gruppen einteilen lassen:

  1. die Geschichtsinteressierten und
  2. die Kunstinteressierten

Die ersten kommen wegen der Varus- oder Hermannsschlacht, die zweiten wegen Rainer Nummer. Es mag auch noch eine Schnittmenge sowie den einen oder anderen Verirrten geben, die vermag ich jetzt aber nicht zu beziffern.

 

Mit welchen Erwartungen kommen die Geschichtsinteressierten?

Hoffen sie auf neue Erkenntnisse zur Schlacht 9 n. Chr.? Könnte es sein, dass der Künstler Rainer Nummer auf seiner Suche nach Varus, dem unseeligen römischen Verlierer, neue Artefakte gefunden hat und nun endlich die Teutotheorie belegen kann? Oder wird er einen anderen, revolutionären Zugang zum Verständnis der Schlacht präsentieren und sogar Tacitus neu interpretieren?

Diese Geschichtsinteressierten werden insoweit nicht enttäuscht werden, als der Künstler tatsächlich neue Artefakte zusammengetragen hat. Doch lassen Sie mich Ihren Enthusiasmus bremsen, indem ich Sie frage, was Sie unter Artefakten verstehen?

 

Die klassische Übersetzung spricht von ars/artis = Handwerk und factum = das Gemachte. Also von Menschen erzeugte oder geänderte Gegenstände.

 

Das scheint eindeutig zu sein, doch schon der Fachbereich der Diagnostik spricht von einem Artefakt als einem oft störenden Scheinphänomen. Eine mit Täuschungsabsicht herbeigeführte Veränderung. - Eine mit Täuschungsabsicht herbeigeführte Veränderung!

 

Für die Forensik ist ein Artefakt die zumeist unabsichtlich hinterlassene Spur des Täters am Tatort.

 

In der Elektronik ist das Artefakt ein Störsignal.

Hingegen spricht die Fantasiebranche von einem magischen Gegenstand.

 

Sie sollten sich diese unterschiedlichen Definitionen des Begriffes „Artefakt“ gut merken, wenn Sie durch die Ausstellung gehen. (Sprechen Sie mich notfalls nochmal darauf an!)

 

Es wird also nicht so einfach werden, wie Sie beim Lesen der Einladung vermuteten! Es wird ein wildes Spiel, das der Künstler mit Ihnen treibt. Er hinterfragt, was Sie wirklich wissen. Er klopft Ihr individuelles Gedächtnis ab, erprobt Ihr kulturelles Gedächtnis und verlangt, dass Sie Ihre Fantasie benutzen, um die Artefakte zuzuordnen, denn, und das ist das Verblüffende bei dieser so gegenständlichen Ausstellung: „Varus 2“ wird nur in Ihrem Kopf stattfinden.

Es wird einzig an Ihnen liegen, ob Sie in den Bildern, Installationen und Fundstücken nur wertloses, armes Material sehen, das Sie in Ihrer Betrachtung stört oder - ob eine verrostete Blechdose für Sie die moderne Metapher für die letzte Tagesration eines gefallen Legionärs wird. Sie werden Bilder sehen, deren verstörende Wirkung Sie ganz persönlich empfinden und Materialsammlungen, bei deren näherer Betrachtung Sie hoffentlich ebenso lachen werden, wie ich es tat.

 

Was zeigt die Ausstellung aber dem Besucher, der wegen des Künstlers kommt?

Rainer Nummer bietet dem Betrachter die Bandbreite seines künstlerischen Schaffens und Lebens. Es ist eine Art Werkschau unter dem Thema „Varus 2“. Der gebürtige Detmolder geht, wie so häufig in seinen Arbeiten, zurück in die Geschichte seiner Region und veranschaulicht diese mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln. Hatte er zuvor schon den Poeten Grabbe oder die Märchenwelt der Gebrüder Grimm aufgegriffen, so lässt er sich dieses Mal erneut auf Varus ein. Ein Thema, das ihn als alten Lipper natürlich immer wieder bewegte und uns beide 2009 auf einer Studienreise zusammen brachte. Dieses als Erklärung, warum ich heute hier stehe und die Laudatio auf Künstler und Werk halte.

 

Und doch sind es nicht die Themen allein, die ihn fordern, vielmehr sind es die Materialien, die ihn anspringen, sich ihm aufdrängen und bearbeitet werden wollen. Und so ist es seine große Kunst, Thema und Material zu einer Einheit zu verschmelzen.

 

Hatte Rainer Nummer ursprünglich die handwerkliche Ausbildung zum Grafik-Designer absolviert, so ist ihm längst der gewaltige Sprung in die Welt der Abstraktion des Materials gelungen. Geschundenes Material wie Packpapier, verrostetes Eisen, Bauschutt, alles verändert sich unter seinen Händen. Die ursprüngliche Nutzungsbestimmung verliert sich und der Gegenstand wird Artefakt im Sinne der Diagnostik: ein störendes Scheinphänomen. Der Künstler stört und verstört absichtlich (oder auch unabsichtlich?). Ist zugleich Täter und Opfer seiner Arbeit. Doch das Ergebnis der Arbeit wird zu einem magischen Gegenstand mit einer neuen Bestimmung, der den Betrachter erschreckt, einfängt, verscheucht, anregt, fasziniert.

 

Nicht verschweigen will ich den großen Einfluss, den die jahrelange Arbeit an und mit dem Detmolder Poeten Christian Dietrich Grabbe auf unseren Künstler ausübte. Grabbe, der, wie Rainer Nummer es ausdrückt, an seiner eigenen Energie implodierte, begleitete den Künstler lange Jahre in seiner Entwicklung vom Gegenständlichen hin zur Auflösung der Form, zum Destruktiven. Und so ist es kein Wunder, dass Grabbe in der Ausstellung „Varus 2“ ebenfalls gehuldigt wird, hier in seiner Rolle als Autor des Epos „Die Hermannsschlacht“. Grabbe wie Nummer sind Provokateure, radikale Realisten, die in ihren Werken die Wirklichkeit interpretieren. Sie stellen auf verstörende Art da, wie Menschen an dieser Wirklichkeit zerbrechen und nichts als Artefakte von ihnen bleiben. Doch ich frage Sie jetzt noch einmal: was sind Artefakte?

 

Beim Gang durch „Varus 2“  bleibt uns angesichts des historischen Schreckens, der in dieser Ausstellung von Rainer Nummer in immer wieder neuer Form, manchmal düster und wild, aber auch sanft anmutend und so oft voller Ironie und Augenzwinkern daher kommt, ein Trost: „Das ist alles nur in meinem Kopf. Ich wäre gern länger dort geblieben, doch die Gedanken kommen und fliegen. Wir sind alle aus Fantasie, aus Staub und Fantasie“(Andreas Bourani). Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen!

 

 

 

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